Kritik an Kirchenasyl-Urteil von Würzburg
Das Amtsgericht Würzburg hat eine Ordensfrau wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt zu einer Geldstrafe verurteilt. Schwester Juliana Seelmann hatte zwei Nigerianerinnen Kirchenasyl gewährt, um sie vor einer Dublin-Abschiebung nach Italien zu bewahren, wo sie Opfer von Zwangsprostitution zu werden drohten.
Bei der Durchführung des Kirchenasyls wurden die Schritte befolgt, die zwischen BaMF und den zwei großen Kirchen 2015 für entsprechende Fälle abgesprochen worden waren. Es handelte sich um ein offenes Kirchenasyl, bei dem den für die Abschiebung zuständigen Behörden die Aufnahme der Schutzsuchenden ins Kirchenasyl und damit auch deren Aufenthaltsort mitgeteilt werden. Warum ein Gericht dann zu dem Ergebnis kommen kann, hier hätte eine Beihilfe zum illegalen Aufenthalt vorgelegen, ist nicht nachvollziehbar. Noch weniger nachvollziehbar wird die Entscheidung mit Blick darauf, dass der Vorsitzende Richter im Prozess offenbar monierte, dass es hier überhaupt zu einem Strafverfahren gekommen sei, anstatt dass die Behörden das Kirchenasyl aufgelöst hätten.
Das staatliche Handeln, das hier von den bayrischen Staatsanwaltschaften an den Tag gelegt wird, die ja dem bayrischen Innenministerium unterstehen, passt in der Tat nicht mit dem staatlichen Handeln von Behörden zusammen, die für die Durchsetzung der Aufenthaltsbeendigung zuständig wären und die ebenfalls dem Innenminister unterstehen. Sinn würde es nur ergeben, wenn auch gegen diese Behörden ermittelt würde: wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt im Amt durch Unterlassung.
Aber der von den bayrischen Staatsanwaltschaften an den Tag gelegte Eifer bei der Verfolgung von Kirchenpersonen, die von Abschiebung Bedrohten Schutz gewähren, entbehrt ohnehin jeglicher Logik – außer der freilich, Angehörige der Kirchenasylbewegung einzuschüchtern. Nicht nur, dass solch eine Zielsetzung der Verpflichtung allen staatlichen Handelns auf die Achtung der Menschenwürde widerspricht (Art. 1 GG). Die Praxis der Staatsanwaltschaften steht auch im krassen Widerspruch zu sozial- und verwaltungsrechtlicher Rechtssprechung von Obergerichten, in der festgestellt worden ist, dass, wer sich im Kirchenasyl befindet, sich nicht der Abschiebung entzieht. Das hat selbst das BaMF mittlerweile anerkannt, weshalb es von der Praxis Abstand genommen hat, bei Kirchenasylen mit Dublin-Fällen die Rücküberstellungsfrist von sechs auf 18 Monate zu verlängern.
Diese Sachlage hat das Würzburger Gericht im Strafverfahren gegen die Ordensfrau anscheinend überhaupt nicht in Betracht gezogen. Der vom Vorsitzenden Richter getätigten Aussage, wir lebten in einer Demokratie und nicht in einem Gottesstaat, kann insofern absolut zugestimmt werden. Aber sie rechtfertigt keineswegs das von ihm gefällte Urteil. Im Gegenteil! Das Tun der Ordensfrau stand ja offenbar in keinem Widerspruch zur rechtsstaatlichen Praxis. Das alleine wäre ausschlaggebend für das Urteil gewesen. Welche persönlichen Beweggründe sie für die Gewährung des Kirchenasyls angeführt hat, ist dagegen unerheblich. Ja, mehr noch: Wenn sie dafür kriminalisiert wird, dass sie ihrem christlichen Glauben gefolgt ist, dann stellt das Urteil einen ungeheuerlichen Angriff auf die in Art. 4 GG garantierte Religionsfreiheit dar.
Es bleibt zu hoffen, dass das Urteil keinen Bestand hat. Einen Anspruch darauf, hat es jedenfalls nicht.